Schutz vor Zahlungsausfall plus elegantes Kündigungsrecht

Der Architekt hat gegenüber seinem Bauherrn einen Anspruch auf Sicherheit.

Ein aktuelles Merkblatt erläutert, welche Moglichkeiten der aktuelle § 650f BGB zur Bauhandwerkersicherung auch für Architektinnen und Architekten bietet.

Der nachfolgende Artikel bezieht sich noch auf den bisherigen § 648a BGB, der zum 1. Januar 2018 durch § 650 f abgelöst wurde, ist inhaltlich jedoch weiterhin relevant.

Die Bauhandwerkersicherung gibt auch Architekten die Möglichkeit, sich vor Zahlungsausfällen zu schützen. Und sie stellt ein elegantes Kündigungsrecht dar. Warum ist sie dennoch nicht populär?

„Die wirtschaftliche Lage der Werkunternehmer, vor allem in der Baubranche, ist in den letzten Jahren immer schlechter geworden. Dies gilt insbesondere für die Situation in den neuen Ländern. Forderungsausfälle in Millionenhöhe und eine steigende Anzahl von Insolvenzen prägen das Bild. Diese Situation ist auch auf unzureichende rechtliche Rahmenbedingungen zurückzuführen.“ Zu diesen deprimierenden Feststellungen kam vor zehn Jahren der Gesetzgeber, die er in einer Bundestags-Drucksache festhielt. Wer sich noch an diese Zeit zurückerinnern kann oder will, weiß wie trostlos es im Bausektor damals aussah. Um Unternehmer vor Zahlungsausfällen, Insolvenzen und Profischuldnern zu schützen, verabschiedete der Gesetzgeber verschiedene Maßnahmen, die unter dem Namen „Forderungssicherungsgesetz“ zusammengefasst wurden. In dem Paket gab es unter anderem die Bauhandwerkersicherung, die in § 648a BGB zu finden ist. Üblich war es bislang in der Baubranche, dass Bauunternehmer dem Auftraggeber eine Sicherheit für die Vertragserfüllung oder Mängelansprüche schulden. Die Bauhandwerkersicherung drehte den Spieß um: Nun schuldete der Auftraggeber dem Unternehmern eine Sicherheit für Zahlungsausfälle.

Der Unternehmer eines Bauwerks, einer Außenanlage oder eines Teils davon kann demnach von seinem Auftraggeber eine Sicherheit für die noch nicht gezahlte Vergütung einschließlich der Nebenforderungen verlangen. Dabei soll auch der Architekt gegenüber dem Bauherrn einen Anspruch auf eine solche Bauhandwerkersicherung haben. Umstritten ist, ob ein Architekt für seine planerischen Leistungen, die noch nicht realisiert wurden, ebenfalls eine Sicherheit vom Bauherrn verlangen kann. Das OLG Naumburg (Urt. v. 29.01.2014 – 12 U 14)/13) wie auch das OLG Düsseldorf (Urt. v. 05.10.2004 – 21 U 26/04) bejahten diese Ansicht, sodass auch der nur planende Architekt die Sicherheit verlangen kann, ohne dass seine Planungsleistungen in einem konkreten Bauerfolg oder in einer Werterhöhung des Bauwerks Niederschlag gefunden haben müssen, wie die Düsseldorfer Richter feststellten. Der Architekt hat somit gegen seinen Bauherrn einen Anspruch auf eine Sicherheit wie z.B. eine Bürgschaft oder ein Zahlungsversprechen einer Bank. Dieser Anspruch ist durchsetzbar und einklagbar.

Die Sicherheit kann in voller Höhe des zu erwartenden Vergütungsanspruchs verlangt werden. Der renommierte Baurechtler Wolfgang Koeble weist im ‚Kompendium des Baurechts‘, das er mit dem ehemaligen BGH-Richter Kniffka herausgibt, darauf hin, dass hinsichtlich der Honorarforderungen von Architekten maßgebend die zum Zeitpunkt des Sicherungsverlangens vorliegenden bzw. nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 HOAI im jeweiligen Stadium notwendigen Kostenermittlungen sind. Auch für die in Zusatzaufträgen vereinbarte und noch nicht gezahlte Vergütung einschließlich dazugehöriger Nebenforderungen kann die Sicherheit geltend gemacht werden. Die Nebenforderungen – z.B. Verzugszinsen wie das OLG Hamm aktuell entschied (Urt. v. 03.06.2016 – 12 U 99/15) – werden dabei mit 10 Prozent von dem zu sichernden Vergütungsanspruch angesetzt.

Als Ladenhüter wurde die Bauhandwerkersicherung von einigen verspottet, da sie genau dort nicht abgerufen und verlangt werden darf, wo sie eventuell von Nöten wäre: Ist der Auftraggeber eine natürliche Person (also kein Unternehmen) und handelt es sich bei den Bauarbeiten um die Herstellung oder Instandsetzung eines Einfamilienhauses (mit oder ohne Einliegerwohnung) kann sie von diesen Bauherren nicht gefordert werden. Auch von juristischen Personen des öffentlichen Rechts, über deren Vermögen ein Insolvenzverfahren unzulässig ist, kann sie nicht verlangt werden. Durch diese Einschränkungen wurde dem Sicherungsmittel zumindest teilweise die Attraktivität genommen. Einen Geburtsfehler nennen diesen „Ausnahmekanon“ manche Baurechtler. Während öffentliche Auftraggeber wegen ihres mangelnden Insolvenzrisikos ausgenommen sind, wird jedoch eine Stadtbau GmbH vom Anwendungsbereich umfasst sein.

Sicherheitsleistung in allen Arten zulässig

Die Sicherheit kann formlos verlangt werden und zwar „sozusagen eine Sekunde“ nach Vertragsschluss wie Koeble schreibt. Jeder am Bau Beteiligte weiß aber, dass die Schriftform bereits aus Beweisgründen sinnvoll und zu empfehlen ist. Die entsprechende Gebühr für die Sicherheit bei der Bank, Versicherern oder anderen Sicherheitsgebern bezahlt übrigens der Architekt, nicht der Bauherr. Bis zu einem Höchstsatz von zwei Prozent hat dieser die üblichen Kosten der Sicherheitsleistung des Auftraggebers zu erstatten. Selbst nach der Abnahme kann die Sicherheit noch verlangt werden.

Die Sicherheitsleistung ist in allen Arten zulässig: Das Wahlrecht über die Art bzw. Form der Sicherheit liegt beim Auftraggeber. Im Gesetzestext heißt es, dass selbst eine Garantie oder ein sonstiges Zahlungsversprechen zugelassen sind. Um die Sicherheit zu erhalten, ist dem Bauherrn eine angemessene Frist zu setzen. Was ist nun angemessen? Der Dresdener Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht Volker Schmidt schreibt in einem Aufsatz (NJW 2013, 497 ff.), dass „eine Frist von einer Woche bei professionellen Auftraggeber auch bei einem Großauftrag ausreichend“ sein könne: „Eine Frist von deutlich über zehn Tagen wird man dem Bauherrn daher nur in seltenen Ausnahmefällen gewähren können“, so Schmidt. Er rät darauf zu achten, die Frist nach Tagen oder nach einem konkreten Datum genau zu bestimmen, sodass keine Zweifel über den Zeitpunkt bestehen.

Elegante „Exit“-Strategie

Denn, und das ist der rechtliche Clou der Bauhandwerkersicherung: Rechtsfolge der nicht fristgerechten Sicherheitsstellung ist die Möglichkeit des Architekten zur Kündigung des Vertrags! Wenn der Bauherr also nicht fristgemäß eine Sicherheit liefert, besteht auch ein Kündigungsrecht für den Architekten. Kündigt der Unternehmer (hier also der Architekt) den Vertrag deshalb, ist er zudem berechtigt, die vereinbarte Vergütung zu verlangen. Er muss sich jedoch dasjenige anrechnen lassen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages an Aufwendungen erspart hat oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwirbt oder böswillig zu erwerben unterlässt. Das (erfolglose) Einfordern des Sicherungsmittels stellt daher eine elegante „Exit“-Strategie dar, um aus einem Vertrag auszusteigen, wenn der Architekt das Vertragsverhältnis beenden möchte und keine Gründe für eine außerordentliche Kündigung vorliegen. Vorsicht ist aber geboten, da eine Auftraggeber Kündigung ggfs. für den Architekten besser sein könnte, erhält er doch dort ein Honorar für die nicht erbrachten Leistungen. Wohlgemerkt muss es aber dann erst einmal zu einer Auftraggeber Kündigung kommen. Die Bauhandwerkersicherung ist daher auch ein schnelles, einfaches und wirkungsvolles Mittel, um aus einem Vertrag herauszukommen.

‚Wie Baufirmen garantiert an ihr Geld kommen‘ – Walter Pastor, ehemaliger Richter am Oberlandesgericht Köln und Co-Autor des Standardwerks ‚Der Bauprozess‘ zeigt dort nochmals die anfängliche Euphorie beim deutschen Bauhandwerk auf, als diese Vorschrift in Kraft trat. „Die Erwartungen waren aber nicht berechtigt“, stellt Pastor nüchtern fest und zitiert die geäußerte Kritik an der Bauhandwerkersicherung, das als „gesetzespolitisch und gesetzestechnisch verfehlt“ ge- und dann auch in der Praxis verschmäht wurde. Bei aller Kritik: Es verwundert, wie wenig dieses Sicherungsmittel dennoch bekannt ist und weshalb es nicht wenigstens in den Bereichen, in denen es einsetzbar ist, genutzt wird. Es ist sicherlich kein Allheilmittel gegen Insolvenzen, Zahlungsverzüge oder Profischuldner. Aber wenigstens ist es ein Mittel.

Eric Zimmermann / 04.10.2016

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